... "AUS SPASS AM FAHREN"
Geb. am 28.03.35 in Moers † 24. April 2019
Mit 15 Jahren wollte er anfangen, Rennen zu fahren. Damals hatte er eine 125er Puch und wollte seinen Kumpels beweisen, wie schnell er sei. Aber als er die Maschine zum Start schob, sah er seine Eltern auf der Tribüne sitzen ... Kurz entschlossen nahm er seine Maschine und schob sie wieder weg. Dann fuhr er auf Umwegen nach Hause, denn seine Eltern - so nahm er an - hatten nicht sehr viel für einen Rennfahrer in der Familie übrig.
Er hat vier Brüder und zwei Schwestern. Sein Vater betreibt in Moers einen Tabak- und Spirituosen-Großhandel.
Hubert wollte Ingenieur werden, aber der Vater entschied anders. So wurde er Kaufmann. Den Traum von den Rennen hatte er aufgegeben. Er interessierte sich jedoch für schnelle Autos, vielleicht, weil er sie verkaufte...
Er wurde 26 Jahre alt und hatte immer noch kein Rennen gefahren. Dann nahm er einmal an einem Auto-Slalom in Holland teil - nur zum Spaß. Er gewann den Slalom, und damit fing alles an. Wenig später sagte ihm ein Freund, der mit dabeigewesen war: „Fahr doch mal mit mir zusammen - am Ring! Den kennst du doch in- und auswendig!“ Das stimmte. Das erste Mal war er als 13jähriger um den Ring mitgefahren. Sein Vater hatte ihm den Ring gezeigt, aber er ließ den Junior aussteigen, als er selber ein paar schnelle Runden drehen wollte. Hubert sah zu, wie „die Verrückten“ um die Strecke jagten, die verkannten Renngenies. Plötzlich kam einer mit einem Motorrad daher und legte sich genau vor dem Jungen hin. Hubert sprang zu und half dem Mann wieder auf die Beine. Wie sich herausstellte, war es der Mechaniker des Deutschen Meisters Böhm auf NSU. Zum Dank fuhr ihn Böhm ein paarmal um den Ring - schneller, als Vater Hahne es konnte!
Von da an war Hubert Hahne oft auf dem Ring, zuerst mit seiner „125“ und später, als er ein Auto hatte, mit seinem kleinen Fiat 500. Er fuhr nur so herum - ohne jede Absicht, aber er hatte viel Freude daran, möglichst sauber herumzukommen. Selber Rennen zu fahren, daran dachte er wirklich nie - bis der Freund ihn drängte ... Ohne Überzeugung willigte er ein. „Na schön“, meinte er, „ich mache mit, aber du wirst sehen, es wird ja doch nichts!“
Es wurde auch nichts. Zwar lagen sie mit dem NSU-Prinz seines Freundes Gilges ganz gut im Rennen, zwar holt Hahne den Rückstand auf den Ersten auf, als er an die Reihe kam, zwar lag er in strömendem Regen über 4 Minuten vorne, als ihn Gilges wieder ablösen wollte, aber da wurden sie plötzlich disqualifiziert, weil Hahne seinem Freund das Steuer nicht an den Boxen übergeben hatte.
Später stellte sich allerdings heraus, daß sie im Recht gewesen waren: Ein Rennkommissar hatte ihnen die Übergabe beim Tankplatz genehmigt. Aber was half das? Das Rennen war vorüber, und wie Hahne prophezeit hatte - war nichts daraus geworden. „Das habe ich ja gleich gesagt“, meinte Hubert Hahne und schwor sich, nie wieder ein Rennen mitzufahren.
Er fuhr doch noch einmal mit: in einem Bergrennen, „nur so zum Spaß“. Er wurde Erster mit dem Auto eines Freundes. Weit vor diesem Freund ... Einer, der wirklich fahren konnte, sagte daraufhin: „Fahr doch mal mit deinem Wagen mit! Nächste Woche am Ring. Du hast einen schnellen Wagen und kannst doch fahren!“ Hahne lachte ihn aus: „Was soll ich mit meinem Spazierfahr-Auto! Im Rennen sind die Porsche-Carreras dabei; die fahren mir ja auf und davon!“ Sein Freund wußte es besser: „Es gibt eine Sonderwertung für die Super 90. Die kannst du schlagen. Versuch's doch mal!“ „Na schön“, sagte Hahne ohne rechte Überzeugung und erschien mit seinem „Spazierfahr-Auto“ am Ring.
Klassensieg vor Porsche auf einem Fiat OSCA
Es wurde der „Spaß des Tages“. Er fuhr nämlich wirklich ein „Spazierfahr-Auto“, einen Fiat 1500 mit Radio, Weißwandreifen und wunderschönen Rad-Zierkappen. Man lachte ihn aus. „Was will denn der Knabe hier mit seinem Angeber-Kasten?“ Der „Knabe“ fuhr das Training mit. Anschließend hatten die „Alten“ in ihren schnellen Super 90 etwas zum Nachdenken, denn der Angeber hatte die schnellste Trainingszeit gefahren. Natürlich wurde das trotzdem nicht ganz ernst genommen. So etwas kann Zufall sein.
Als die Startzeit näherrückte, regnete es in Strömen. Die Porsche donnerten los - mitten hinein in das „Sauwetter“. Sie beachteten das Spazierfahr-Auto gar nicht. Der Knabe hatte ja nicht einmal seinen Schalldämpfer entfernt! Plötzlich war das Spazierfahr-Auto vorne. Es überholte einen der Super 90 nach dem anderen, und nach zwei Runden lag es mitten in den Carreras! Die nahmen den Knaben auch nicht ernst. Wahrscheinlich ein Überrundeter, der jetzt auf Leben und Tod fuhr ... Schließlich war der „Leise“ ganz vorne, fuhr ein Duell mit dem Carrera-Spitzenreiter aus - und kam als erster zu Start und Ziel! Dort übersah man ihn - weil er so leise war ... Er fuhr noch eine Ehrenrunde; erst dann feierte man den merkwürdigen Sieger. Nun sahen die „Alten“, daß unter der Fiat-Motorhaube das Herz eines 1600 O.S.C.A.-Maserati steckte! (Anm. des Webmsters: vermtl. mit ca. 105 PS)...
Goliath Jaguar jagt den kleinen David BMW
Hahne war zum erstenmal Sieger geworden. Jetzt hatte er „Blut geleckt“. Im nächsten Frühjahr kaufte er sich einen „BMW 700“ ... Beim ersten Start hatte er sofort Erfolg. Er gewann ein Bergrennen. Dann wollte er gleich die internationale Lizenz haben, aber die mußte er sich erst verdienen. Also fuhr er noch ein paar kleine Rennen, gewann wieder - und bekam seine „Lizenz“. Er durfte nach Monza. Bei den „4 Ore“ wurde er Vierter. Mehr war nicht drin. In der „Lizenzklasse“ wehte ein anderer Wind - hier gab es Werkswagen aller Marken, da hatte es ein „Privater“ ziemlich schwer. Immerhin wurde er in Neuenahr wieder Erster. Im Juli wurde er in Freiburg beim „Bergrekord“ zwar nicht Erster - den Sieg holte sich Altmeister Stuck -, aber immerhin Dritter. Am Nürburgring wurde er wiederum Dritter, wenn auch in einem Feld von etwa fünfzig Wagen. Ganz schön, aber eben nicht „Erster“ ...
Im nächsten Jahr ging es noch schlechter. Zwei-, dreimal wurde er Dritter und Vierter, einmal Zweiter. Es hatte keinen Sinn mehr. Mit einem privaten Wagen konnte er gegen die werksunterstützte Konkurrenz keinen Pokal mehr holen.
1963 wurde er dann „Werksfahrer“. Man war auf den „Neuen“ aufmerksam geworden, obwohl er ganz anders fuhr als alle anderen.
Er fuhr nämlich - na, sagen wir mal „eckig“. Er stellte den Wagen auch dort noch quer, wo andere ihn rund durch die Kurven gleiten ließen. Aber mit diesem „eckigen“ Fahrstil war er stets unerhört schnell. Das wußten vor allem die Werksfahrer, die er überholte. Und letzten Endes zählt nur, wer als Erster ankommt.
Deshalb holte man ihn zu BMW ...
Im Mai 1963, am Nürburgring, gab er bei den „1000 Kilometern“ seinen Einstand und wurde „nur“ Zweiter. Dann begann eine Siegesserie: „6-Stunden Nürburgring“ - Erster; Mallory Park, England - Erster; „Nürburgring-Trophäe“ - Erster; Zandvoort Trophy - Erster; Timmelsjoch-Bergrennen - Erster; und im „Großen Preis von Budapest“ wieder Erster.
Am Ende des Rennjahres 1963 war Hubert Hahne auf BMW 700 „ex aequo“ mit Peter Lindner Europapokal-Sieger. Vorerst noch in der Probewertung.
1964 stieg er auf den „1800 Tl“ um. Der Rest ist Renngeschichte ...
Hahne hat einen neuen Stil kreiert - als „der Mann, der quer steht“. Er steht gar nicht absichtlich quer, sondern fährt nur so, wie er es für richtig hält, und er ist ein wenig eigensinnig ... Er fährt, wie er will. Ein paarmal sagten Wohlmeinende: „Mensch, du fährst doch verrückt! Das ist ja kein Autofahren. Fahr doch mal anders; du wirst sehen, es geht schneller und ist nervenschonender.“ Hahne fuhr „anders“ und war langsamer. Dann stand er wieder „quer“ und gewann ... Manchmal sagen Leute, die es genau wissen: „Hahne fährt eigentlich einen ganz alten Stil: den der großen alten Meister wie Fangio und Ascari, die damals mit ihren schweren Boliden über die Pisten rasten und nicht wußten, wie sie die riesigen Dinger um die Kurven bringen sollten. Da erfanden sie eben den „Four-Wheel-Drift” und „Powerslide”. Aber das ist altmodisch, hoffnungslos altmodisch!“
Hahne ist anderer Meinung: “Heute fahren Clark und Jacky Ickx schon wieder genauso, und die beiden halte ich für die besten Fahrer. In ein paar Jahren werden wieder alle so fahren müssen, wenn sie gewinnen wollen. Eine Zeitlang hatte es keinen Sinn, zu „driften“. Die Fahrgestelle waren jahrelang schneller als die Motoren. Jetzt sind die Motoren wieder schneller. Nur ist es heute mit den superbreiten Reifen viel schwerer als damals, zu driften. Die Superbreiten haften viel länger am Boden, um dann ganz plötzlich „wegzugehen“. Diese Übergangszone ist also viel knapper, erfordert viel mehr Gefühl und viel mehr Mut zum Risiko! Wenn man diese Fahrmethode beherrscht, ist sie die schnellste Art, den Wagen um die Kurven zu bringen. Das sieht man schon heute bei einigen Fahrern. Die Zukunft gehört denen, die so fahren. Allerdings braucht man wirklich viel Gefühl dazu!“ Er scheint dieses Gefühl zu haben.
„Wenn ich ein besserer Geigenspieler gewesen wäre, dann hätte ich wahrscheinlich nie ein Rennen gefahren“, sagt er, „aber ich war leider zu schlecht.“ Er ist gelernter Kaufmann, wie es sein Vater wollte, aber das väterliche Geschäft übernimmt er später wohl kaum. Dafür ist er BMW-Händler geworden und „frisiert“ schnelle BMW noch schneller. Rennfahrer ist er aus Leidenschaft. „Ich habe richtigen Spaß am schnellen Fahren“, sagt er. „Wenn ich einmal keine Freude mehr daran habe, höre ich auf. Aber vorläufig habe ich unbändigen Spaß daran!“
Er lacht gerne und sieht eigentlich eher wie ein Filmschauspieler aus. Erst wenn man ihm die Hand drückt, merkt man, welche Kraft in diesem mittelgroßen, schmalen Mann steckt.- Er hat einen Griff wie Eisen. Er hat viel Erfolg und lebt dabei ziemlich bescheiden. Bei aller Hetze findet er viel Zeit für sich. Er ist ein ausgeglichen wirkender Mensch - trotz aller Unruhe, die sein Rennfahrerleben und sein Beruf mit sich bringen. „Ich kann fast immer schlafen!“ sagt er. „Sogar vor einem großen Rennen. In Hockenheim 1967 hätte ich das Rennen fast verschlafen! Steinmetz mußte mich suchen. Ich lag in meinem Wagen im Fahrerlager und schlief noch, als die anderen schon am Start waren. Ich kam dann gerade noch zurecht ...“
1967 im Lola-BMW beim GP von Deutschland
der F1 am Nürburgring
Besonders anstrengend erscheint ihm der Krach der Rennmotoren. Einmal, nach den „24 Stunden von Spa“, hatte er acht Tage lang Geräusche im Ohr, die nicht verschwinden wollten. Und bei den Formelwagen sind die unerträglichen Frequenzen schlimmer als der reine Krach. Einmal könnte ihm das den Spaß verleiden, aber vorläufig noch nicht, meint er. Außerdem gibt es ja Rennfahrerwatte für die Ohren ... Auf die Frage, ob er manchmal Angst hat, antwortet er: Nein, nicht sehr, obwohl er auch bis jetzt einige Male Glück gehabt habe ...Einmal, vor dem „Berg- werk“, ist er mit einem Abarth hinausgeflogen. Plötzlich ging der Wagen weg. Als Hahne wieder zu sich kam, lag er ganzwoanders als der Wagen.
Hahnes R-66
„Viel passiert ist mir dabei nicht. Eine Nierenprellung und eine Knochen- splitterung an der linken Hand. Aber meine Uhr war weg! Ich hatte nur noch das Band am Handgelenk - und den Rand der Uhr.“ Einige Male hat er Räder verloren, ein- oder zweimal ist ihm eine Achse oder die Radaufhängung gebrochen, ein paarmal hat er sich überschlagen. Das ist alles. Nicht viel? - Nicht viel ...
Ob er Hobbys hat? „Ja, Fahren und Fliegen. Aber am meisten macht mir mein Motorrad Spaß.“ Es steht in der Garage und ist blitzblank geputzt, eine R-66, „die schneller ist als jeder Ferrari!“ Damit fährt er über die einsamen Landstraßen an der holländischen Grenze und durch die Eifellandschaft, die er sehr liebt. „Weil es dort so schön ist - und so ruhig!“
Quelle: Sieg in tausend Rennen - Die BMW-Story von Winfried M. Schnitzler ©1967