Oldtimer-Kaufberatung
Auf die Beendigung meines Reparaturbetriebes folgten einige Jahre der Unsicherheit bezüglich meiner beruflichen Tätigkeit, vor allen Dingen im Hinblick auf die damals vor mir liegenden zwei Jahrzehnte. Etwa drei Jahre arbeitete ich als freier Mitarbeiter in der Gebrauchtwagenaufbereitung eines großen VAG-Betriebes, was mir bei meiner jetzigen Tätigkeit auch zugute kommt. Vor allen Dingen bei der Beurteilung oberflächlich aufgemöbelter Oldtimer, die zum Verkauf angeboten werden.
In dieser Zeit habe ich gelernt, durchgerostete Rahmen mit Beton auszugießen, Löcher in Kotflügeln mit Zeitungspapier und Putzlappen auszustopfen, um einen tragfähigen Untergrund für das anschließende Überspachteln mit Polyesterspachtel (Fachjargon: Sauerkraut) zu haben, Lackierungen ohne Anschleifen des Untergrundes zu machen (nach 4 Wochen fliegt der Lack schon vom Fahrtwind wieder ab), ganze Innenräume mit Cockpitspray aufzumöbeln (ein Teufelszeug, das Auto wird so mit Silikon verseucht, daß es im Nachhinein fast unmöglich wird, nochmals eine gute Lackierung aufzubringen).
In zunehmendem Maße wurde auch das für mich, obwohl sowieso nur als Übergangslösung gedacht, nicht mehr tragbar. In dieser Zeit erschien ein früherer Lehrling von mir, der die Meisterprüfung machen wollte. Er hatte sich aus Dänemark einen Ford A mitgebracht und wollte als Meisterstück die Karosserierestaurierung machen. Diese Arbeit wurde vom Prüfungsausschuß auch als Meisterstück akzeptiert. Wie bei so vielen von uns, hatten aber auch bei ihm die Gefühle sein handeln bestimmt. Beim Abbauen der Kotflügel und Türen waren ihn bei so viel Schrott die ersten Zweifel an seinem Entschluß gekommen. Vor allen Dingen reichte die Zeit nicht, da der Prüfungstermin schon feststand. Er suchte mich also auf und bat mich, ihm bei seinem Meisterstück zu helfen. Das ist natürlich nicht erlaubt, ebenso wie bei den Gesellenstücken. Über diese Bedenken haben wir uns hinweggesetzt, einmal weil die Zeit wirklich drängte, zum anderen, weil bei diesem Objekt soviel Arbeit war, daß der Anteil, den der Prüfling absolvierte, allein schon für ein Meisterstück reichte. Es ging dann nur noch darum, der Kontrolle des Prüfungswartes zu entgehen. Das hat nicht immer geklappt. Bei der Benotung gab es eine 4, weil er die Unterstellung nicht entkräften konnte, die Arbeit nicht alleine ausgeführt zu haben.
Bei den Arbeiten an diesem Auto habe ich gemerkt, daß beim Restaurieren wieder die alten Techniken angesagt sind, die ich bei meiner Lehrzeit vermittelt bekommen hatte. Es wurde mir sogar klar, daß ohne diese Techniken ein Restaurieren nicht möglich ist. Wenn man diese alten Techniken durch moderne ersetzt, bleibt es letztlich ein Reparieren.
Da wir im Prinzip alle für unser Auto nur das Beste wollen, müssen wir alle lernen, egal ob Selbermacher, Halbprofis, Vollprofis und auch die, die Teilrestauration oder Vollrestauration an Betriebe vergeben, als Orientierungspunkt das Optimale für jeden Bereich der Fahrzeugrestaurierung zu kennen. Das scheint auf Anhieb unmöglich zu sein. Wenn wir uns aber vor Enttäuschungen, Unzufriedenheit und viel Geld, das zum Fenster hinausgeworfen wird, schützen wollen, so wird es höchste Zeit, damit den Anfang zu machen. Immer wieder kann man in speziellen Publikationen auch in unserer V8-Zeitung Lehrbeispiele lesen, zu welcher Niedergeschlagenheit es schon beim Autokauf kommt, wenn man die Sache nicht überblickt. Es wird meines Erachtens für uns alle höchste Zeit, daß die Szene einmal durchleuchtet wird und ebenfalls alle Bereiche die durch diese Szene berührt werden.
Sicher kommen jetzt auch Zweifel auf an meiner Kompetenz und Glaubwürdigkeit. Beziehen wir doch alle schon jahrelang die eine oder andere Fachzeitschrift, in der jeder Bereich der Restauration doch schon mehrfach erläutert worden ist. Diese Redakteure und Journalisten müßten doch aufgrund ihrer Recherchen, die sie für das eine oder andere Thema machen müssen den Durchblick besitzen. Das ist aber ein gefährlicher Irrtum. Aber auf die Fachzeitschriften werde ich noch ausführlich zurückkommen. Ich habe 15 Jahre lang Gelegenheit gehabt, meine Arbeit mit denen anderer zu vergleichen. Ich habe meistens schlechtes und Schlechteres gesehen, wenig Gleichwertiges und höchst selten Besseres.
Für alle Bereiche, über die ich schreibe, lasse ich Ausnahmen gelten. Aber diese Ausnahmen haben so verschiedene Ursachen, daß jede einzelne für sich auf ihre Ausnahme untersucht werden muß. Auch sind diese Ausnahmen nicht übertragbar. Ich nehme mal an, jemand hat um die Ecke für wenig Geld eine Superlackierung für seinen Oldie bekommen, so wäre es absolut tödlich zu glauben, man hätte auch dieses Glück. Die Gründe, warum es zu dieser Ausnahme kommen kann, werde ich in dem Kapitel Lackierungen erläutern. Da ich ganz von vorne anfangen will, müssen wir mit dem Autokauf beginnen.
Zu kaufende Oldies werden grob zusammengefaßt in drei Kategorien angeboten:
1. SCHROTTAUTOS
Das sind Autos, bei denen man von weitem die Löcher im Kotflügel, die durchgerosteten Kanten an den Hauben und die Türverkleidungen von außen durch die Türe sehen kann. Die Windschutzscheibe hat einen Sprung, Stoßstangen und Radkappen fehlen, der Motor sitzt fest. Der Kofferraum ist voll Wasser. Über die Innenausstattung braucht nicht geredet zu werden. Alle Chromteile sind verrostet, picklig oder angelaufen. Die Lackflächen sind durch große braune Flecken unterbrochen. Aber an den hochgezogenen Lackrändern kann man an den einzelnen Schichten erkennen, daß es sich noch um den Originallack handelt, und daß noch niemand etwas unsachgemäßes an dem Fahrzeug vorgenommen hat.
Der Preis liegt zwischen DM 500,-- und 5.000,--. Entsprechend der Rarität und der Begehrtheit eines Objektes steigt der Preis natürlich auch bei Schrottautos. Ein 501 dürfte bis DM 1.000,-- zu Kriegen sein. Ein 3,2 Super mit Knüppelschaltung vielleicht für DM 5.000,--, ein Cabrio für DM 15.000,--, ein 507 ?
Wenn höhere Preise verlangt werden, sollte man versuchen, seine Gefühle wieder in den Griff zu kriegen und auf die nächste Gelegenheit warten, Schrottautos gibt es noch genug.
Denn eine Erkenntnis sollte ab jetzt in Ihrem Gedächtnis unauslöschlich haften bleiben: Beim Restaurieren kann man nur im Einkauf sparen. Alles was danach kommt, ist nach oben offen, wie die Erdbebenskala. Das gilt auch für die, die sich selbst gerne in die Tasche lügen. Leider wird hier immer noch zu viel Geld bezahlt, Weil hier das Handeln zu sehr durch Gefühle bestimmt wird.
2. BLENDER
Das sind Autos, die ganz gut aussehen, wenn man in einigem Abstand daran vorbeigeht oder wenn sie irgendwo im Schaufenster stehen. Auch werden sie in der einschlägigen Fachpresse als restauriert bis toprestauriert angeboten. Diese Autos liegen auf den V8 bezogen zwischen DM 10.000,-- bis 30.000,--. Diese Preisforderung ist korrekt. Rechnungen werden bereitwillig bei Interesse gezeigt: DM 8.000,-- für die Lackierung, DM 6.000,-- für die Motorinstandsetzung, die Bremsen sind gemacht worden, die Teppiche wurden erneuert, DM 10.000,-- für Verchromungsarbeiten, Türdichtungen wurden erneuert, Holzarmaturenbrett und Türleisten sind neu lackiert worden. Für Exoten darf das alles natürlich eine Kategorie höher ausfallen.
Bei näherer Untersuchung hält die Lackierung nicht das, was man erwartet. Spachtelstellen markieren sich, Schleifspuren von grobem Papier sind zu sehen, an manchen Stellen starke Spritznarben (Apfelsinenhaut). Kotflügelränder und Einstiegholme haben sehr dünnen Farbauftrag. Nach dem hohen Preis für die Lackierung gefragt, hört man, daß die Lackiererei noch einige Bleche einschweißen und umfangreiche Spachtelarbeiten ausführen mußte, was dann auch die leichten Wellen auf den Tür- und Haubenflächen erklärt. Unter den Teppichen liegen Zeitungen, die die Feuchtigkeit aufsaugen sollen. Das Holz ist versaut, weil man das Furnier nicht ausgebessert hat und irgendein Mattierungsmittel aufgetragen hat. Der Unterboden und der Rahmen lassen keine Kontrolle zu, weil alles mit Unterbodenschutz beschmiert ist. Es sieht alles schön schwarz aus. Auch die Bremsleitungen. Der Motorraum ist mit dem Pinsel gestrichen worden, nicht nur das Blech, sondern auch die Kabel, Relais, Sicherungsdose und alles was rechts und links an den Seitenwänden hängt.
Alle diese Merkmale lassen auf ein Objekt schließen, bei dem man an den dringendsten Stellen Bleche übergeschweißt hat, und sonst alle kritischen Stellen mit „Sauerkraut" zugespachtelt hat. Wenn diese Autos wieder zerlegt und sandgestrahlt sind, hat man wieder ein Auto der Kategorie 1 vor sich.
3. AUTOS, DIE FÜR SEHR VIEL GELD ANGEBOTEN WERDEN
Das sind vielleicht Autos, die auf den V8 bezogen zwischen DM 60.000,-- und 80.000,-- angeboten werden. Man wird sie wahrscheinlich nur hinter Chiffreanzeigen finden, und es werden nur ernsthafte Kaufinteressenten angesprochen. Man glaubt zwischen den Zeilen lesen zu können, daß man Leute mit Sachverstand erwartet. Im ersten Augenblick scheint diese Summe utopisch, ja geradezu idiotisch zu sein. Doch sind sie die billigsten Autos überhaupt. Denn selbst Exoten lassen sich nicht zu dem Preis auf dem Markt verkaufen, der entsteht, wenn man Einkaufssumme und die Totalrestaurierungskosten in einer exzellenten Restaurierungswerkstatt zusammenaddiert. Bei den Preisforderungen sollte es natürlich selbstverständlich sein, daß Nachweise vorhanden sind, aus denen hervorgeht, wie und was restauriert wurde und wer oder welche Werkstatt die Arbeiten gemacht hat.
Nun will ich versuchen, die Szene den drei verschiedenen Kategorien zuzuordnen.
Die meisten haben sich sicherlich vorgenommen, ein Fahrzeug von Grund auf zu restaurieren. Vor allen Dingen, wenn sie über handwerkliches Geschick verfügen. Für sie können eigentlich nur Autos der Kategorie 1 in Frage kommen. Für alte Hasen ist das sicherlich sowieso kein Thema mehr.
Für die Kategorie drei kommen sicherlich nur Leute in Frage, die schnell über diese Summen verfügen können. Schnell darum, weil diese Autos sehr selten angeboten werden und schnell verkauft sind.
Autos der Kategorie zwei sollten nur Leute kaufen, die unbedingt sofort mit einem Oldtimer fahren und das Feeling genießen wollen. Dann sollte aber auch, und das ist mein Ratschlag, dieses Fahrzeug die nächsten Jahre intensiv genutzt werden und alle auftretenden Mängel so oberflächlich und billig weiter künstlich beatmet werden, so daß gerade das Auto funktionstüchtig bleibt. Denn jede Mark, die jetzt für besseres investiert wird ist umsonst, da mit Sicherheit nach 5-6 Jahren eine Totalrestaurierung nötig wird.
Leider bleibt der größte Teil der Neueinsteiger in die Szene auf den Autos der Kategorie zwei hängen. Das geschieht aus der Unkenntnis der Problematik, die unser Hobby mit sich bringt und dem Einbringen von viel Emotionen. Und gerade diese Emotionen verhindern auch das Hinzuziehen von Fachleuten beim Autokauf, denn der könnte ja von dein Kauf abraten, aber man wil das Auto ja gerade besitzen.
Wenn man versucht, den Hintergrund etwas zu durchleuchten, kann man durchaus für dieses Handeln Verständnis haben.
Ich will einmal versuchen, einen Neueinsteiger zu skizzieren. Ich glaube, so ähnlich hat es sich schon oft genug abgespielt und wird sich auch immer wieder abspielen.
Ich nenne unseren Freund mal Hans, er ist 40 Jahre alt, verheiratet, 2 Kinder, davon ein Junge so um die 10 Jahre alt. Er hat eine lange Ausbildung gehabt, ob Technik, Medizin oder Lehramt spielt keine Rolle. Einen Hang zu ausgefallenen Autos hat er schon immer gehabt. Aber das Geld war immer knapp. Nach der Ausbildung wurde geheiratet, ein Häuschen gebaut. Nun ist das überstanden. Sein Sohn ist 10 und scheint sich auch für Autos zu interessieren. Gemeinsam schauen sie sich Autorennen in der Sportschau an, dann mal einen Besuch auf dem Nürburgring, Autoausstellung in Frankfurt. Das alles animiert ihn aber nicht zum Kauf irgendeines Autos ob getunt oder nackt. An und für sich ist er mit seinem Opel zufrieden.
Aus der Regionalpresse erfahren sie von Oldtimertreffen und Veranstaltungen. Gehen hier und dort einmal hin, stehen aber der Sache sehr skeptisch gegenüber. Durch Zufall geraten sie bei einer solchen Veranstaltung in eine Gruppe, die um einen 356 Porsche Cabrio stehen. Jetzt wird ihm auf einmal ganz warm ums Herz. Das ist doch das Auto, um das er damals einen seiner Kommilitonen während der Studentenzeit so beneidet hat. Gerade diese Porsche hatten es ihm doch so angetan. Und der hier, um den sie alle herumstanden, war gerade für DM 25.000,-- verkauft worden. Gar nicht so teuer, wenn man bedenkt, was heute so ein Porsche kostet.
Auf dem Nachhauseweg erzählt er seinem Sohn, wie sehr er sich damals so ein Auto gewünscht hatte. Wie er voller Bewunderung davorgestanden hat. Oder auf Parkplätzen verstohlen darum herumgeschlichen ist. Und in seinen Gedanken kann er sich vorstellen, jetzt oder in absehbarer Zeit so ein Auto zu besitzen. War es damals nicht der Traum seines Lebens? Sollte er diesen Traum denn nicht jetzt verwirklichen? Warum eigentlich nicht? Sein Sohn ist natürlich Feuer und Flamme.
Tips: Ulrich In de Frey; Text: Theo Schnütgen